Lektionstext
Quirites!
Nuper per Italiam iter feci:
Ibi multa praedia deserta, nonnullos agros incultos esse vidi.
Sed vidi etiam latifundia florentissima1,
in quibus numerus ingens2 servorum laborabat …
Quam diu servi alieni agros vestros colent?
Quam diu sedes vestrae a dominis alienis habitabuntur?
Bestiae, quae in Italia sunt, sedes latebrasque3 suas habent,
sed vos, qui pro patria pugnavistis, praediis vestris expulsi
cum uxoribus liberisque per Italiam erratis.
Vos tandem Romam convenistis, quod auxilium quaerebatis.
Vos autem senatoribus patriciisque curae non estis, non eratis, non eritis.
Nam senator vel patricius semper solas res suas curat, curabat, curabit.
Quam diu hanc4 vitam indignam tolerabitis?
Quam diu fame vexabimini?
Quam diu uxores liberique vestri rebus necessariis carebunt?
Nonne eos miseros esse videtis?
Num eos semper miseros futuros esse vultis5?
Num eos dominis alienis servituros esse vultis5,
quod alio modo vivere non poterunt?
Mihi credite: Is, cui cuncta sunt, semper plus cupiet.
Avaritia divitum numquam finietur, vos vexare numquam desinet.
Itaque lege agraria6 nova nobis opus est.
Hac4 lege ii, qui milites patriam suam defenderint7,
praemia sua obtinebunt:
agros, quibus alentur,
sedes, quas cum uxoribus atque liberis securi habitabunt.
Itaque vos oro atque obsecro:
Tribunum plebis create me, Tiberium Sempronium Gracchum!
Ego tribunus vobis et rebus vestris consulam,
ego vobis auxilio veniam, ego res curabo:
Vita, quae vobis nunc miseriae atque labori est,
vacua sit cunctis curis.
Agros vobis reddam. Domum redibitis.
Uxores atque liberi securi vivere poterunt.
Reddam vobis libertatem, honorem, dignitatem.
Haec4 denique vita erit digna viro Romano.
1 florentissimus: überaus blühend
2 ingens (Nom.Sg.m.): riesig
3 latebrae, arum f.: Schlupfwinkel
4 hanc (Akk.Sg.), hac (Abl.Sg.), haec (Nom.Sg.): „dieses“
5 vultis : ihr wollt
6 agrarius : Acker-
7 defenderint :„sie haben verteidigt“
Übersetzung
Bürger! Neulich machte ich eine Reise durch Italien: Dort sah ich, dass viele Landgüter verlassen und einige Felder unbebaut sind. Aber ich sah auch überaus blühende Großgüter, auf denen eine riesige Zahl von Sklaven arbeitete…
Wie lange bebauen andere Sklaven eure Felder? Wie lange wird euer Wohnsitz von anderen Herren bewohnt? Wilde Tiere, die in Italien sind, haben ihren Wohnsitz und Schlupfwinkel, aber ihr, die für das Vaterland gekämpft habt, wurdet von euren Landgütern vertrieben und irrt mit Ehefrauen und Kindern durch Italien. Ihr seid endlich in Rom zusammengekommen, weil ihr Hilfe suchtet. Ihr seid jedoch nicht die Sorge der Senatoren und Patrizier, ward nie die Sorge, werdet nie die Sorgen sein. Denn der Senator oder der Patrizier kümmert sich immer nur um seine Sachen, kümmerte sich nur um seine Sachen, wird sich immer nur um seine Sachen kümmern. Wie lange werdet ihr dieses unwürdige Leben noch ertragen? Wie lange wird der Hunger euch noch quälen? Wie lange entbehren eure Ehefrauen und Kinder notwendige Sachen? Seht ihr etwa nicht, dass sie arm sind? Wollt ihr etwa, dass sie zukünftig immer arm sind? Wollt ihr etwa, dass sie anderen Herren dienen werden, weil sie auf eine andere Art und Weise nicht leben können?
Glaubt mir: Der, dem alles ist (der alles hat), wird immer mehr begehren. Der Geiz der Reichen wird niemals beendet, sie werden niemals aufhören euch zu quälen. Daher ist das Ackergesetz für uns nötig. Durch dieses Gesetz erhalten die Soldaten, die ihr Vaterland verteidigt haben, ihre Prämien: Felder, die ernähren werden, Wohnsitze, die mit den Ehefrauen und Kindern sicher bewohnen werden.
Daher bitte und beschwöre ich euch: Wählt mich, Tiberius Sempronius Gracchus, zum Volkstribun! Ich, euer Tribun, werde mich auch um eure Angelegenheiten (Dinge) kümmern, ich werde euch zu Hilfe kommen, ich werde mich um eure Angelegenheiten (Dinge) sorgen: Das Leben, das für euch nun Armut und Mühe ist, wird frei von allen Sorgen sein. Ich werde euch die Felder zurückgeben. Ihr werdet in eure Häuser zurückgehen. Eure Ehefrauen und Kinder werden sicher leben können. Ich werde euch die Freiheit, die Ehre und die Würde zurückgeben. Dieses Leben wird schließlich eines Römers würdig sein.